Wie viel bin ich gelaufen, wie hoch war mein Puls, habe ich die empfohlenen 10.000 Schritt pro Tag geschafft, wie schaut es mit meiner Ernährung aus und war das Achterl am Vorabend zu viel? Fitness-Armbänder können auf all die Fragen Antworten geben.
Sie liefern permanent Daten und leiten sie weiter. Aber halten sie auch, was die Hersteller versprechen?
Patrick ist voll motiviert. Der Blick aus dem Fenster sagt: Der Sommer ist nah. Der Blick in den Spiegel sagt: Der Winterspeck muss weg. Ein bisschen laufen, ein bisschen Rad fahren, ein paar Süßigkeiten weniger – das wird schon, ist Patrick überzeugt, seiner neuesten Errungenschaft sei Dank. Es ist ein kleines blaues Fitness-Armband, das er Tag und Nacht trägt. Es schaut ein bisschen aus wie eine überdimensionale Uhr mit großem Display, das Innenleben aber speichert alle seine Daten, es gibt Anweisungen. Und es motiviert. Motivation 2016 heißt nämlich nicht, den Kampf mit dem inneren Schweinehund aufzunehmen, zu siegen, die Laufschuhe anzuziehen und loszustarten. Nein, Motivation heutzutage kommt ohne digitale Ermunterung kaum mehr aus. Schweinehund war gestern, Patrick setzt auf Motivation 2.0.
Fitness-Tracker
Spätestens seit Erfindung der Fitness-App fürs Handy durch den Oberösterreicher Florian Gschwandtner und seine drei Kompagnons (Runtastic) und dem 220-Millionen-Euro-Deal, mit dem er seine Erfindung an adidas verkauft hat, sind Fitness-Apps in aller Munde. Besser gesagt in (fast) aller Handys. Die Aufzeichnung von Aktivitäten und Gesundheitswerten liegt im Trend. Wir analysieren uns selbst und teilen unsere Daten hemmungslos mit jedermann, zumindest aber mit dem Programmierer oder dem App-Anbieter. Mittlerweile gibt es geschätzt über 10.000 verschiedene Apps im Bereich Fitness und Gesundheit. Quantified Self nennt sich die Bewegung der Selbstvermesser im Neudeutschen. Ein wichtiges Accessoire für die wachsene Community ist das Fitness-Armband, auch Fitness-Tracker genannt. „To track“ – der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „verfolgen“. Mit dem Armband wird quasi jede Bewegung, jede Aktivität verfolgt, gespeichert, analysiert, kommentiert.
Patrick hat sich für ein Fitness-Armband mit integrierter Herzfrequenzmessung entschieden. Es soll messen, wo und wie schnell er gelaufen ist, wie viele Schritte er gemacht hat, wie hoch sein Puls war, und den Kalorienverbrauch erheben. Verbunden ist das Armband mit seinem Handy. Über eine App trägt er noch ein, was er gegessen und getrunken hat, und abends stellt er das Armband auf Schlafmodus. Um am nächsten Morgen die Information zu bekommen, wie lange und wie gut (oder schlecht) er geschlafen hat. Denn jede Bewegung zählt.
Daten unpräzise
Verlassen sollte sich Patrick nicht auf sein Fitness-Armband, meint Universitätsassistent Martin Dobiasch vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Wien. Er arbeitet an der Weiterentwicklung des Mobile Motion Advisors, einer mobilen Bewegungsbetreuung mit Echtzeitfeedback. „Die Qualität der Daten, die über Fitness-Armbänder gespeichert werden, ist oft sehr schlecht und deshalb kann kein wirklicher Nutzen aus ihnen gezogen werden. Die Aktivitätsindizes, etwa zurückgelegte Distanzen, werden nach mathematischen Modellen berechnet. Läuft eine Bewegung nicht so ab, wie das Modell annimmt, stimmen die Berechnungen nicht“, so der Experte. So kommt es vor, dass das Armband glaubt, man läuft, dabei sitzt man in der U-Bahn. Oder im Gegenteil: Man sitzt auf einem Fahrrad und das Armband errechnet, dass man gerade inaktiv ist. In Wirklichkeit könnte man gerade unter maximaler Belastung Fahrrad fahren.
„Nicht marktreif und unpräzise“ – so lautet auch das Urteil des Vereins für Konsumenteninformation, der zwölf Fitness-Bänder einem technischen und praktischen Test unterzogen hat. Sie seien eher Bewegungsmelder als Schrittzähler, resümiert Joti Bomrah, Projektleiterin Neue Medien. Handbewegungen wie etwa das Tippen am Computer wurden als Schritte gewertet, „ebenso Zähneputzen oder Wäsche aufhängen.“ „Armbänder, die eine integrierte Pulsmessung anbieten, waren alle ungenau und nicht korrekt“, so Bomrah. Kein einziges getestetes Fitness-Band hat die Note „sehr gut“ bekommen, im Gegenteil, die meisten kamen gerade mit einem „durchschnittlich“ bis „weniger zufriedenstellend“ weg. Kein Wunder, dass keine der Testpersonen nach der Probephase ein Gratis-Gerät mit nach Hause nehmen wollte. Sportwissenschafter Dobiasch ergänzt: „Herkömmliche Pulsmesser bieten oft genauere Daten und ein leichter lesbares Display.“ Er selbst benützt zwar auch verschiedene Bänder in Kombination mit Pulsmesser und anderen Sensoren für ein spezielles Training, er weiß jedoch um die richtige Interpretation der Daten, und vor allem weiß er, was wie aussagekräftig ist.
Das Fazit der Konsumentenschützer lautet: Eine kostenlose Handy-App tut’s auch. Denn die Fitness-Armbänder funktionieren ohnehin nur mit einer App oder einem speziellen Programm am Computer. Da kann man sich den Umweg über das Fitness-Armband gleich ersparen.
Sensible Gesundheitsdaten
Eines muss Patrick und den Millionen Nutzern bewusst sein: Mit dem Armband geben sie eine Unmenge an Daten bekannt, die für Unternehmen im Rahmen von Vorsorgeprogrammen, aber auch für private Versicherungen von unschätzbarem Wert sind. Beispielsweise hat eine große deutsche Versicherung angekündigt, einen speziellen Tarif anzubieten, der per App aufgezeichnete sportliche Aktivitäten, Vorsorgetermine und Ernährung berücksichtigt. Anfangs soll es für Versicherte mit gesundheitsbewusstem Lebenswandel Gutscheine für Reisen und das Fitnessstudio geben, im nächsten Schritt Rabatte bei den Versicherungsprämien. Eine andere große Versicherung lässt über die Pressesprecherin ausrichten, derartige Pläne nicht zu haben. Möglicherweise hätte ja sogar ein sportlicher Versicherungsnehmer ein höheres Verletzungsrisiko. Wie auch immer: In Österreich kommt ein derartiges Modell ohnehin nicht in Frage – es ist gesetzlich gar nicht möglich. Dennoch: Gesundheitsdaten sind hochsensibel, und wenn sie auch laut Europäischer Datenschutzrichtlinie nicht so mir nichts, dir nichts weitergegeben werden dürfen, sollte sich jeder Nutzer fragen, ob er tatsächlich alle Informationen seinem Fitness-Band beziehungsweise seiner Fitness-App preisgibt. Manchmal ist ein Fitness-Tagebuch – ein handschriftliches – wohl besser.
Ein Bericht aus dem Internetmagazin „Forum Gesundheit“ von Mag. Lisa Ahammer