Die Glückshormone steigen, Stress verflüchtigt sich, man fühlt sich gut. Bewegung und Sport heben das Gemüt und helfen uns, Psyche und Körper gesund zu erhalten. Auch bei bereits bestehenden psychischen Störungen ist Bewegung hilfreich.
Der Mensch ist ein „Bewegungstier“, er braucht die Bewegung, um körperlich aber auch psychisch gesund zu bleiben. „Wir müssen zwar nicht unbedingt laufen, um gesund zu bleiben, aber jeder braucht irgendeine Form von regelmäßiger, ausdauernder Bewegung. Denn diese beugt vielen Leiden vor und kann auch Krankheitsverläufe verlangsamen oder stoppen. Das betrifft sowohl körperliche Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenschmerzen, Diabetes Typ 2, Osteoporose und Arthrose als auch psychische Störungen“, sagt MMag. Linda Seiwald, Sporttherapeutin und Sportwissenschaftlerin am Neuromed-Campus in Linz.
Zivilisationsbedingte Bewegungsarmut
Durch den modernen Arbeitsalltag und die zunehmende Digitalisierung wird die körperliche Bewegung jedoch immer unnötiger und die zurückzulegenden Wege weniger. Körperliche Arbeit wird immer mehr die Ausnahme von der (sitzenden) Regel. „Dieser Entwicklung sollte man seiner Gesundheit zuliebe sehr bewusst entgegensteuern und sich selbst zu Sport und Bewegung motivieren. Und zwar regelmäßig“, sagt Seiwald.
Bewegung als Vorbeugung
Auch zur Vorbeugung gegen psychische Probleme eignet sich körperliche Aktivität sehr gut. „Ideal wäre es, wenn man sich das ganze Jahr über bewegt und je nach Jahreszeit verschiedene Sportarten betreibt. Denn wer etwa den ganzen Sommer überhaupt nichts tut, weil es ihm zu warm ist, der tut sich dann im Herbst mit einem Wiedereinstieg oft schwer und wer im Herbst nichts tut, ist anfällig für den sogenannten Winterblues, also die Winterdepression“, sagt die Bewegungstherapeutin.
Glücklicherweise muss niemand Leistungssportler werden, um von den positiven Wirkungen von Bewegung zu profitieren. Täglich eine halbe Stunde körperliche Ertüchtigung bringt schon merkliche Erfolge. Seiwald: „Ideal wären pro Woche mindestens 150 Minuten Ausdauersport bei mittlerer Intensität und 75 Minuten bei hoher Intensität. Diese Trainingsdauer sollte auf mehrere Tage in der Woche aufgeteilt werden und nicht am Stück abgespult werden, denn Ziel ist Regelmäßigkeit der Bewegung und keine Höchstleistungen.“
Langsam starten
Wer völlig untrainiert ist und bei null beginnt, sollte langsam starten, etwa mit Spazieren gehen und sich allmählich steigern, zum Beispiel in folgender Reihenfolge: spazieren, flott gehen, Nordic Walken, joggen, laufen. „Manche machen den Fehler, die Sache viel zu schnell anzugehen. Obwohl sie noch nie gelaufen sind, nehmen sie sich vor, in kurzer Zeit einen Marathon zu bewältigen. Damit ruiniert man sich den Körper und tut sich nichts Gutes“, sagt Seiwald.
Leistung und persönliche Trainingserfolge können im Einzelfall zwar schön und gut sein, entscheidend ist die Bewegung an sich. Das Wichtigste ist, dass man überhaupt ins Tun kommt. Damit dies gelingt, sollte man sich etwas suchen, das einem Freude bereitet und das einem guttut. Dadurch bleibt man motiviert und die Chancen steigen, dass man auch langfristig am Ball bleibt.
Alleine oder in Gruppe trainieren
Ob man alleine trainiert oder in der Gruppe, muss jeder nach persönlicher Vorliebe selbst entscheiden. Man kann auch beides kombinieren und zum Beispiel alleine joggen und im Verein mit anderen sporteln. „Wer alleine trainiert, bekommt den Kopf dabei gut frei und kann für eine Zeit lang gut abschalten. Bewegung in der Gruppe hat den Vorteil, dass man sich leichter überwindet und nicht so schnell aufgibt.
Training im Freien bringt den zusätzlichen Nutzen des Lichtes (wichtig gegen Depressionen) und der frischen Luft und der beruhigenden Naturerfahrung. Seiwald: „Das sind alles Faktoren, die der Psyche guttun. Freilich ist Training in der Halle oder im Fitnesscenter besser als gar kein Training.“
Warum Bewegung wirkt
Viele Faktoren sind dafür verantwortlich, warum die Psyche von körperlicher Bewegung profitiert – Veränderungen der Hirnchemie, Spannungsabbau, Selbstwertsteigerung und ein positives Sozialverhalten gehen dabei Hand in Hand:
- Die Stresshormone Kortisol und Adrenalin werden abgebaut
- Die Nervenbotenstoffe Serotonin und Noradrenalin werden durch körperliche Anstrengungen vermehrt produziert; bei einer Depression ist die Konzentration dieser Botenstoffe oft drastisch verringert
- Ausdauersportarten bewirken die Ausschüttung von Endorphinen, die damit verbundenen Glücksgefühle lindern Ängste und steigern das Wohlbefinden
- Stress, Anspannung, Frust und Aggression werden abgebaut
- Aktivität stärkt den Selbstwert
- Der Patient spürt, dass er selbst etwas Gutes für sich tun kann, er steigert die Selbstwirksamkeit
- Die Leistungsfähigkeit steigt und fördert das Selbstvertrauen
- Ablenkung von trüben Gedanken.
Psychische Erkrankungen und Bewegung
Viele verschiedene psychische Erkrankungen und Störungen lassen sich mit körperlicher Bewegung verbessern. Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen (Sport hilft beim Entzug) und auch psychosomatische Störungen und chronische Schmerzen sind Probleme, die sich mit Bewegung und Sport in der Regel positiv beeinflussen lassen.
Chronische Schmerzpatienten beispielsweise fürchten die Bewegung, weil diese die Schmerzen erhöhen könnte. Durch die Bewegungslosigkeit baut der Körper ab und dieser Verfall wird wiederum ängstlich und aufmerksam beobachtet. Seiwald: „Auch hier hilft nur eines: Den Körper in Bewegung bringen! Und wenn bloß ein Spaziergang für den Anfang möglich ist, ist dieser tausendmal besser, als auf dem Sofa zu sitzen oder gar im Bett zu liegen.“
Auch das Sozialverhalten verbessert sich, Isolation und Rückzug können durchbrochen werden. Menschen mit psychischen Problemen, etwa mit Depressionen und Angststörungen, neigen dazu, sich immer mehr zurückzuziehen und sich von anderen Menschen zu isolieren. Dadurch verfällt die Stimmung immer weiter. „Sport ist in so einer Situation eine Chance, diesem Teufelskreis entgegenzuwirken und ihn zu durchbrechen. Zwar kostet es Überwindung und Kraft, damit zu beginnen, der Gewinn, den man daraus zieht, ist jedoch deutlich größer als der Aufwand“, sagt Seiwald.
Sport hilft auch bei psychischen Problemen, die nicht als Krankheit oder Störung eingeordnet werden. Wer etwa ständig grübelt und dessen Welt sich ständig um seine Probleme dreht, der profitiert enorm davon, wenn er seine Gedankenwelt verlassen kann, indem er Sport treibt.
Probleme lösen
Hinter psychischen Störungen stehen in vielen Fällen seelische Probleme und/oder schwierige Lebensumstände. Sport ist bei Problemen zwar hilfreich, man kann seinen Problemen aber nicht davonlaufen, früher oder später holen sie einen ein. „Sport ist kein Ersatz für Problemlösung. Wer Sport zur Ablenkung von seinen wahren Problemen benützt, kann dies zwar für den Moment erreichen, doch klarerweise verschwinden sie durch diese Art des Wegschauens nicht. Wer Probleme hat, sollte sich ihnen stellen und sie zu lösen versuchen, wenn nötig mit professioneller Hilfe. Es gilt zu erkennen, was hinter der Depression oder der Angst steht, welche schwierige Situation oder welches Lebensthema ungelöst ist“, sagt die Sportwissenschaftlerin.
Ein Bericht aus dem Intermagazin „Forum Gesundheit“ von Dr. Thomas Hartl