Erziehung ist in Zeiten von Fernsehen, Computer und Internet nicht leichter geworden. Damit Kinder und Jugendliche mit der virtuellen Welt verantwortungsvoll umgehen können, müssen sie in der realen fest verankert sein.
Medienkompetenz kann man nur vermitteln, indem man sie vorlebt. Kinder kopieren das Verhalten der Eltern“, weiß Dr. Kurt Kurnig, Leiter des Psychologisch-psychotherapeutischen Dienstes bei der Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärntens. Wenn zu Hause von früh bis spät das Radio oder der Fernsehapparat läuft, wachsen Säuglinge und Kleinkinder in einer permanenten Geräuschkulisse auf. Kurnig: Das lenke von sich selbst ab, Stille sei dann nicht mehr zu ertragen.
Wer selbst ständig online sei, könne von seinen Kindern kein anderes Verhalten erwarten. Verbieten oder strafen bringe gar nichts, das mache die Medien nur noch interessanter. Die Prägungsphase sei bis zum Alter von 15 Jahren, grundlegend seien jedoch die ersten fünf Lebensjahre, so der Psychotherapeut und klinische Psychologe.
Grundlage für Entwicklung
In dieser Zeit brauchen Kinder sehr stark dreidimensionale Tätigkeiten, um ihre sensomotorische Intelligenz entwickeln zu können. Das ist aktives Tun, wie Spiel und Sport, Bewegung im Freien, Spielen eines Instruments, Malen oder Zeichnen. Ohne diese Reize fehle die Grundlage für die Entwicklung von Intellekt und Sprache, von Persönlichkeit, Konzentration, Ausdauer, Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl sowie Achtung vor Lebewesen und Dingen, meint Dr. Kurnig. Habe ein Kind aber eine solche Basis in ausreichendem Maß, werde es in der virtuellen Welt problemlos zurechtkommen und sei auch kaum gefährdet, „computersüchtig“ zu werden. Das gilt auch für Kampfspiele, die sogenannten Ego-Shooter. Wer sich beim Sport weh getan, Schläge eingesteckt und ausgeteilt habe, wisse, wie es ist, jemanden zu verletzen und verletzt zu werden, und werde ein solches Spiel auch nicht für bare Münze nehmen, schildert der Psychologe. Und wer in der Wirklichkeit Gefühle wie Trauer und Wut erleben darf, wird auch durch die Darstellung solcher Emotionen und Situationen nicht überfordert sein. Wächst das Kind jedoch in einer Pseudo-Harmonie auf, kann es nicht damit umgehen. Konflikte sollten daher nicht unter den Teppich gekehrt, sondern angesprochen und gelöst werden. Aber auch die richtige und altersgerechte Dosis gehört zu einem späteren entspannten Umgang mit dem elektronischen Angebot. So lehnt Dr. Kurnig Medienkonsum – Fernsehen und Computerspiele – bis zum Alter von drei, vier Jahren überhaupt ab. Und dann kann die Dosis von Lebensjahr zu Lebensjahr leicht gesteigert werden. Zweimal eine Viertelstunde für Vier- bis Sechsjährige ist aus seiner Sicht ausreichend. Bis zum Alter von zehn Jahren sei der ideale Richtwert zweimal eine halbe Stunde und bis 15 Jahre zweimal 45 Minuten. Und dabei sollte man die Kinder nie allein lassen, sondern die Inhalte mit ihnen besprechen, rät er.
Soziale Netzwerke
Schwieriger wird es mit den sozialen Netzwerken. Hier lauern auch die größeren Gefahren und die Problematik sei weitaus komplexer, sagt Dr. Kurnig. „Wichtig ist Aufklärung, ein genaues Briefing, was man im Internet tun darf und was nicht.“ Aber dabei seien die Eltern meist überfordert, weil sie oft selbst nicht über die Möglichkeiten des weltweiten Netzes und dessen Gefahren Bescheid wissen. „Hier kommt den Schulen eine wichtige Rolle zu“, meint er.
Beratung und Aufklärung über diese Problemfelder gibt es auch von Experten der Kriminalpolizei, die auf Wunsch Vorträge in Schulen halten. Im Bundeskriminalamt wurde unter dem Titel „Click & Check“ ein Präventionsprogramm entwickelt, das österreichweit ebenfalls für Schulen angeboten wird. Wie leicht man bei einem sorglosen Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln auch ins Kriminelle rutschen kann, schildert IT-Experte Christian Baumgartner, der bei der Landespolizeidirektion Kärnten im Bereich Cyberkriminalität tätig ist. Wenn junge Leute sich gegenseitig Nacktfotos schicken, ist das zwar unvorsichtig, aber noch in den Grenzen der Legalität. Wird ein solches Foto jedoch an Dritte weitergeschickt und ist die Person darauf minderjährig, hat man sich der Kinderpornographie schuldig gemacht, auch wenn man selbst noch nicht volljährig ist.
Eine weitere Gefahr ist „Cybergrooming“, bei dem sich Männer als Jugendliche ausgeben, um Kontakt zu Minderjährigen zu suchen. Nicht selten kommt es bei realen Treffen zu Missbrauch oder Vergewaltigungen. Eine Zunahme der Fälle beobachtet der Experte bei „Sextortion“. Dabei werden Burschen von jemandem, der sich hinter dem Auftritt einer attraktiven jungen Frau versteckt, überredet, sich vor dem Computer auszuziehen, und erhalten dann sofort die Aufforderung, 500 Euro zu überweisen, sonst würde das Video online gestellt. „Auf keinen Fall zahlen“, sagt Baumgartner. Auf Plattformen wie You-Tube sei man jetzt schon sehr wachsam, solche Inhalte würden sofort gelöscht. Prinzipiell gilt für soziale Netzwerke und Chatrooms: nur mit jemandem kommunizieren, den man auch persönlich kennt. Der Laie kann nicht überprüfen, wer hinter einem Namen oder Foto steckt. Unbekannte Apps vorher googeln, um sich unter Umständen teure Folgen zu ersparen.
Kindersicherung
Umfassende Informationen zu diesem Thema gibt es natürlich auch im Internet. Baumgartner empfiehlt dafür die Seite „saferinternet.at“, wo die einzelnen Problemfelder umfassend behandelt werden. Computerprogramme können ebenfalls helfen, das Internet sicherer zu machen. So sei „Salfeld.de“ eine solche Kindersicherung für Computer und Smartphones, die unter anderem auch die Aufenthaltsdauer im Netz regle, erklärt Baumgartner. Ist diese überschritten, schaltet sich das Internet automatisch weg.
„Aber mit dem Kind immer darüber reden, nicht heimlich installieren“, sagt der Kriminalbeamte. Sonst entstehe ein Vertrauensverlust und es fehle im Fall von Problemen die nötige Gesprächsbasis. Denn ist einmal etwas passiert, sollten rasch Eltern und nötigenfalls auch die Polizei einbezogen werden. Daher sollte den Kindern stets vermittelt werden, dass sie sich mit Problemen jederzeit an die Eltern wenden können, auch oder gerade wenn sie einmal einen Fehler gemacht haben.
Ein Bericht aus dem Internetmagazin „Forum Gesundheit“ von Monika Unegg