Die massive Zunahme des Typ-2-Diabetes ist unter anderem auch auf eine ungesunde Lebensweise zurückzuführen. Regelmäßige Bewegung kann die Erkrankung daher positiv beeinflussen. Was es dabei zu beachten gilt, erklärt Dr. Claudia Francesconi.
Rund 600.000 Menschen leiden in Österreich an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus. Die große Mehrheit davon – über 85 Prozent – sind Typ-2-Diabetiker. Bei ihnen liegt eine Insulinresistenz der Körperzellen vor; das Hormon wirkt also nicht richtig. Bei Typ-1-Diabetes hingegen fehlt das Hormon Insulin aufgrund einer Autoimmunerkrankung – der Körper zerstört die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Dieser Typ wird auch juveniler Diabetes genannt, weil er meist im Kindes- und Jugendalter beginnt. Im Gegensatz dazu ist Typ-2-Diabetes eine Folge von genetischen Faktoren, Übergewicht und Bewegungsmangel. Diese Form wurde früher als Altersdiabetes bezeichnet. Mittlerweile erkranken jedoch auch viele Jüngere aufgrund ihres ungesunden Lebensstils daran. Während Veränderungen des Lebensstils bei Typ-1-Diabetes kaum Auswirkungen haben, ist das bei Typ-2-Diabetikerin anders. Hier können eine Verminderung des Bauchumfanges und moderater Sport die Erkrankung positiv beeinflussen. Was ist dabei zu beachten?
Individuelles Trainingsrezept
Dr. Claudia Francesconi, Vorstandsmitglied der Österreichischen Diabetes Gesellschaft und Primaria der Sonderkrankenanstalt Alland der Pensionsversicherung, sagt: „Generell spreche ich lieber von Training als von Sport, da es um eine kontinuierliche Belastung im Sinne von Ausdauer- oder Krafttraining geht, die man den Patienten in einem individuellen, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Ausmaß empfiehlt.“ Bevor also mit dem Training begonnen wird, gilt es dieses genau zu planen. Dabei sind Fitness sowie individuelle Vorlieben und Begleitkrankheiten zu berücksichtigen. „Voraussetzung für eine Risikoreduktion durch Bewegung ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Das bedeutet, dass die Intensität dementsprechend gewählt wird. Für dosierte Bewegung gibt es keine Kontraindikation, sofern man die richtige Intensität nach den gegebenen Möglichkeiten wählt“, so die Medizinerin. Doch was bewirkt gezieltes Training? Sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining verbessern unter anderem die Insulinresistenz. Gleichzeitig vermehrt sich die Muskelmasse, was sich positiv auf Stabilität und motorische Fähigkeiten auswirkt. Bewegung stärkt zudem die Knochen und beugt Osteoporose vor. Nicht zu vergessen erhöht sich dadurch das allgemeine Wohlbefinden.
Fordern, nicht überfordern
Von den Vorteilen zur Intensität: Hier gilt es, ein individuelles Maß zu finden. „Die Patienten sollen gefordert, aber nicht überfordert werden. Das heißt, dass Bewegung einem Rezept gleich verordnet wird. Frequenz, Dauer, Intensität und Art der Bewegungsübung finden dabei Berücksichtigung. Je niedriger die Hemmschwelle für den Patienten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die vereinbarte Bewegung durchgeführt wird“, sagt Francesconi. Sportarten wie Nordic Walking, Wandern, Fahrradfahren, Schwimmen oder rasches Gehen sind dabei besonders empfehlenswert. Aber nicht nur gezieltes Training ist gut bei Diabetes: Wer seinen Alltag grundsätzlich aktiver gestaltet – Stichwort Treppe statt Lift – trägt ebenfalls zur Gesundheit bei.
Unterzuckerung vermeiden
Doch Vorsicht: Wer körperlich aktiv ist, verbraucht mehr Zucker und weniger Insulin. Es besteht daher die Gefahr einer Unterzuckerung. „Unterzuckerungen sind ausschließlich bei Patienten möglich, die entweder mit Sulfonylharnstoffderivaten oder Insulin behandelt werden. Diese Patienten müssen umso mehr bereits zu Beginn der Therapie, jedenfalls aber vor Beginn der sportlichen Tätigkeit, über die Möglichkeit einer solchen aufgeklärt werden. Die Vorbeugung setzt eine entsprechende Blutzuckerselbstkontrolle vor, während und nach dem Training voraus.“ Bei Ausdauerbelastungen über einer Stunde ist zudem der sogenannte Nachbrenneffekt zu berücksichtigen. Die blutzuckersenkende Wirkung hält also auch nach dem Training noch an. Das erfordert ebenfalls eine Anpassung der Insulintherapie.
Bewegung statt Medikamente?
Bewegung ist also eine wichtige Therapiemaßnahme für Diabetiker. Lässt sich damit aber auch eine medikamentöse Therapie verhindern? Francesconi: „Diese Frage ist schwer zu beantworten. Zu Beginn einer Typ-2-Diabeteserkrankung ist Bewegung mit Sicherheit ein sehr potentes Mittel, um die im Vordergrund stehende Insulinresistenz zu behandeln. Es gibt jedoch eine Reihe von zusätzlichen Grenzwerten wie das LDL-Cholesterin, die eingehalten werden sollten. Diese werden durch Bewegung allein nicht oder nicht ausreichend erreicht. Der Lebensstil, und hier vor allem Bewegung, bleiben jedoch zu jedem Zeitpunkt ein wichtiger Beitrag zur Risikominimierung bzw. Reduktion des Sterblichkeitsrisikos sowie im Idealfall auch zur Verbesserung der Lebensqualität.“
Ein Bericht aus dem Onlinemagazin Forum Gesundheit von MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger